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Evolutionäre Symmetrietheorie (EST)

 

 

Grußwort, Rezensionen und

 Hahns Vortrag

 

 Evolutionäre Symmetrietheorie und Ars evolutoria
Wechselwirkungsprinzip Asymmetrisation/Symmetrisation

(Hierzu auch ein PDF-Dokument: Klicken auf den Button/Link PDF EST!

 

 

 

Grußwort

von Prof. Dr. Franz M. Wuketits,

damaliger Geschäftsführender Leiter des Konrad-Lorenz-Instituts für Evolutions- und Kognitionsforschung, Altenberg, zur Aktion/Initiative EST (Evolutionäre Symmetrietheorie); heute: Professor am Institut für Wissenschaftstheorie der Universität Wien (1991):

"Herr Werner Hahn hat mit seinem monumentalen Buch ‚Symmetrie als Entwicklungsprinzip in Natur und Kunst’ ein Werk von höchster Integrationskraft vorgelegt. Daß es ihm nun auch gelungen ist, das EST-Projekt auf die Beine zu stellen, ist einmal mehr zu begrüßen. Die Idee, Daß Symmetrie als ein evolutives Grundprinzip verstanden werden kann, ist originell und stimuliert weitergehende Reflexionen auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichen Disziplinen sowohl der Natur- als auch der Kulturwissenschaften. Neue Wege der Interdisziplinarität werden sichtbar.

Im Namen des Konrad-Lorenz Instituts und natürlich auch persönlich darf ich Herrn Hahn zu seinem Werk und seiner Initiative beglückwünschen. Mit Glückwünschen allein wird es freilich noch nicht getan sein. Zu hoffen ist daher, daß sich möglichst viele Vertreter möglichst vieler Fachrichtungen – von der Anatomie bis zur Kulturanthropologie, von der Neurobiologie bis zur Erkenntnistheorie – für dieses Projekt interessieren und ihm die gebührende Förderung angedeihen lassen. Ich kann mir vorstellen, daß auf verschiedenen Symposien und Tagungen die Vertreter verschiedener Fachrichtungen jeweils aus ihrer Perspektive zum Gelingen des Projektes beitragen könnten. Was Herr Hahn jetzt schon für eine umfassende Theorie der Symmetrie geleistet hat, ist imposant. Eine breite Basis für weitere empirische Studien und theoretische Reflexionen ist damit gegeben. Es sollte die Mühe wert sein, hier fortzusetzen.

Ich halte Herrn Hahns Bemühungen um eine (evolutionäre) Symmetrietheorie auch in didaktischer bzw. pädagogischer Hinsicht für sehr wichtig. Das Studium der Symmetrie kann uns die Augen öffnen für die Großartigkeit der Natur und ebenso der Kultur in ihren vielfältigen Ausprägungen, vor allem in der Kunst."


Dr. Wolfgang Gerhardt, Hessischer Minister für Wissenschaft und Kunst (1991):

"In jahrelanger, privater experimenteller und theoretischer Forschungsarbeit, ist es Herrn Werner Hahn gelungen, eine umfassende Evolutionäre Symmetrietheorie (EST) zu entwickeln. Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst hält es für erfolgversprechend und wünschenswert, daß durch diese Arbeit eine neue Dimension eröffnende Idee, Symmetrie als evolutorisch wirkendes und formendes Prinzip zu erkennen und zu belegen, eine Fortsetzung und Vertiefung durch inter- und transdisziplinären Dialog erfahren wird.

Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst fördert daher das EST-Projekt und hofft, daß Fachvertreter verschiedenster Institutionen aus dem In- und Ausland ein möglichst breit gefächertes Spektrum von Gedanken und Vorstellungen in das Projekt mit einbringen werden. So könnte auch die auf Symmetriesymposien (Darmstadt 1986, Budapest 1989) angestrebte Zusammenschau am Thema Symmetrie eine wesentliche Steigerung erfahren."

Prof. Dr. Manfred Eigen (Max-Planck-Institut für Biophysokalische Chemie Göttingen – Karl-Friedrich- Bonhoeffer-Institut; Nobelpreisträger, Brief v. 16.08.91):

„(...) Ihr Projekt sieht sehr interessant aus. (...) Ich wünsche Ihnen für die Ausführung Ihres Projektes über Evolution und Symmetrie viel Glück und Erfolg.“

Prof. Dr. Dr. Günter Altner (Biologe, Brief v. 18.07.92):

„(...) Sie wissen, daß ich Ihre bisherigen Arbeiten und den weiteren Fortgang Ihrer Überlegungen sehr hoch einschätze. (...) Alle guten Wünsch für ihr Vorhaben.“

Prof. Dr. Siegfried Grossmann (Physiker, Mathematiker; Philipps-Universität-Marburg; Brief v. 26.06.92):

„(...) Ich freue mich, daß das ‚Projekt Evolutionäre Symmetrietheorie’ Fortschritte macht. Wie Sie wissen, unterstütze ich es sehr. (...) Beste Wünsche für ein gutes Gelingen.“     

 

„Symmetrie als Entwicklungsprinzip in Natur und Kunst“:

 

Projekt

Evolutionäre Symmetrietheorie (EST)  

                         

Nach dem internationalen Frankfurter Symposium „Evolutionäre Symmetrietheorie - Selbstorganisation und dynamische Systeme“ (Städelschule Frankfurt, 28. - 30. Januar 1993) kam es durch Hahns weitere Initiative zur Herausgabe der Anthologie Evolutionäre Symmetrietheorie - Selbstorganisation und dynamische Systeme  (Hrsg. Werner Hahn und Peter Weibel, Stuttgart Hirzel; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 1996 - Edition Universitas; mit 19 Aufsätzen, darunter auch Hahns Beitrag „Evolutionäre Symmetrietheorie und Universale Evolutionstheorie - Evolution durch Symmetrie und Asymmetrie“ mit neuesten Überlegungen des Begründers der EST; vgl. hierzu die Titel-Abbildung mit Hinweis auf die Autoren der Anthologie in Link „Projekte“ sowie Link PDF EST!).

Werner Hahn und Peter Weibel formulierten im Vorwort zur Anthologie (S.5-7) u.a. : Das Buch habe „das Anliegen, die aktuellen Positionen und Sichtweisen unterschiedlicher Disziplinen sowohl der Natur- als auch der Kulturwissenschaften und der Kunst zu vernetzen, um eine neue umfassende Symmetrietheorie zu entwerfen.(...) Der wesentlichste Aspekt des Buches ist, dass das Verständnis der Symmetrie um die Formalismen evolutionärer und dynamischer Prozesse erweitert wird. Daraus ergeben sich auch neue Einsichten zur Dynamik der Evolution selbst. Emergenz, das heißt das Auftauchen neuer Systeme beziehungsweise neuer Systemeigenschaften in der Evolution, kann als besondere selbstorganisierende Prozessdynamik beschrieben werden. Wie im Prozess des evolutionären Geschehens konstruktiv Neues entsteht, vermag eine den Formenwandel erklärende, umfassende evolutionär orientierte Symmetrietheorie zu beschreiben. Nach der statischen gibt es nun eine dynamische evolutionäre Symmetrie. Das Forschungsprogramm Evolutionäre Symmetrietheorie (kurz: EST) fußt auf einer 1991 von Werner Hahn in die Wege geleiteten ‚Aktion/Initiative EST’. Das Frankfurter Symmetriesymposium ist die jüngste Veranstaltung in der Tradition früherer Symmetriesymposien (Darmstadt 1986, Budapest 1989). Die Mehrheit der Beiträge der vorliegenden Anthologie geht auf das internationale Symposium ‚Evolutionäre Symmetrietheorie – Selbstorganisation und dynamische Systeme’ (28.-30. Januar 1993) an der Städelschule Frankfurt zurück, Das Symposion wurde vom Institut für Neue Medien (Städelschule – Staatliche Hochschule für Bildende Kunst in Frankfurt; Prof. Peter Weibel) in Verbindung mit dem Forschungsinstitut Senckenberg Frankfurt (Prof. Dr. Wolfgang Friedrich Gutmann) und Werner Hahn veranstaltet.
Der neue Aspekt eines engen Zusammenhangs von Symmetrie bzw. Symmetriebrechung und der Dynamik struktur- und musterbildender selbstorganisierender (anorganischer und organischer) Systeme wird aus der Sicht verschiedener Disziplinen erörtert: Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, sowie Systemtheorie, Synergetik, Kosmologie, Philosophie, Computerwissenschaft und Kunst. (...) Die Symmetriebrechung als Prozess kann, verknüpft mit der Symmetrieneubildung, als Motor der Evolution verstanden werden. (...)“

Aus Rezensionen hierzu:

Achim Bahnen, Tübingen (in: UNIVERSITAS. Zeitschrift für interdisziplinäre Wissenschaft, August 1997, Nr. 614)

„(...) Hahns Beitrag beschließt den Band und stellt zugleich sein eigentliches Zentrum dar, denn der Entwurf einer „Evolutionären Symmetrietheorie“ ist Hahns Projekt. Sich der Kunst wie der Wissenschaft gleichermaßen zugehörig fühlend, hat er sich einer konstruktiven Verbindung beider Sphären verschrieben. Neben seinen künstlerischen Arbeiten stehen wissenschaftliche Studien, zu deren Ertrag immerhin ein durch die schiere Fülle des versammelten Materials beeindruckender Band über „Symmetrie als Entwicklungsprinzip in Natur und Kunst“ zählt. Hahn sieht sich selbst als den Begründer einer „ars evolutoria“, einer „Neo-Renaisssance“, und plädiert für eine ‚neo-synthetisch orientierte Natur-und-Kunst-Ästhetik’, die nichts weiter als die ‚Totalität der [...] Dreieinigkeit des Wahren, Schönen und Guten neu zu synthetisieren’ vermag.

Viele Vorarbeiten zu diesem Projekt glaubt Hahn selbst geleistet zu haben; man ist beeindruckt, was Hahn entdeckt und erklärt, gedeutet und verifiziert hat. Zentraler Punkt: ‚Eine holistische anti-reduktionistische ´Zauberformel´ für den Motor der Evolution sämtlicher Naturformen wurde entdeckt.’ Diese „Zauberformel“ nennt Hahn, der sich en passant mit Benoit Mandelbrot und Niklas Luhmann mißt, ‚kreative Symmetrisation’, ein prozeßhaftes Ineinander von Symmetrie- und Asymmetriebrechungen.

Läßt man das Feuerwerk genialischen Eifers als Ausdruck künstlerischer Freiheit beiseite, so bleibt als Kern, daß Hahn mit seiner „Evolutionären Symmetrietheorie“ nicht Symmetrie als dynamisches, im Evolutionsprozeß entstandenes Phänomen deuten will, sondern gerade umgekehrt: Die Entwicklung des gesamten Universums (anorganisch, organisch, kulturell) soll als Folge eigenständiger Symmetrieprinzipien verstanden werden. Das Wechselspiel von „Asymmetrisation“ und „Symmetrisation“ ist nach Hahn die ‚kausale(!) Triebfeder’ des Evolutionsgeschehens. (...) Sein Aufsatz zeigt (...), daß Evolution als ein solches Wechselspiel beschrieben werden kann. (...)“

Rezensent Prof. Dr. Hartmut Bremer (Mechatronik/Robotik-Fachmann der Universität Linz, in: Spektrum der Wissenschaft. Mai 1997, S. 121-122):

Rezensent Prof. Dr. Hartmut Bremer beurteilt den inter- und transdisziplinären, „harmonisierenden“ Ansatz des Bandes als „großartig“ und „schon deswegen lesenswert - kritisch lesenswert“ für „Fachleute“ und „(genügend mutige) Laien, die sich insbesondere auch von den vielen Beispielen geometrischer Symmetrien in der Natur begeistern lassen werden.“ Man könnte das „Vorhaben einer evolutionären Symmetrietheorie“ nicht besser umreißen als mit dem Helmholtz-Satz: „Möglicherweise wird dieses Buch in der Zukunft von hohem Wert sein als Leitfaden zur Entdeckung neuer allgemeiner Charaktere der Naturkräfte“, lobt Bremer das Symmetriewerk.

Spektrum der Wissenschaft bildet eine Arbeit zur ars evolutoria von Hahn ab (Besprechung S. 122; entnommen aus der Anthologie): Dort kommt zwar bildkünstlerisch der evolutionäre Ansatz von Hahns „Evolutionärer Symmetrietheorie“(® Mechanismus „Primärasymmetrisation/Symmetrisation“ - eine evolutionäre Geometrie; Bifurkationsmorphologie) zum Ausdruck, der in der Natur wiederzufinden ist, wie Hahn es beweisen konnte. Nichtsdestotrotz erklärt Bremer Hahns „Zauberformel“ nicht, die er wohl nicht anerkennen kann, weil es dem Physiker schwer fällt über den „Tellerrand“ der Physik zu blicken und das weite Feld der Biologie in Augenschein zu nehmen. Immerhin wird durch die künstlerische Darstellung von ars evolutoria in der weit verbreiteten Fachzeitschrift (® deutsche Ausgabe von SCIENTIFIC AMERICAN) das Interesse eines neugierigen Lesers geweckt. Hier die Abbildung mit Bild-Legende aus Spektrum der Wissenschaft:

   

   

   

   „Ars evolutoria“ von Werner Hahn: Durch „drei symmetriebrechende Asymmetrisationen, jeweils verknüpft mit drei neue Symmetrien aufbauenden Spiegelungen“ wandelt er die „Urgestalt“ (links oben) zu einem katzenartigen Kopf um. Rechts weitere 16 nach demselben Prinzip aus der Urgestalt hergeleitete „biomorphe Gestalten“.

 

Prof. Dr. Siegfried Grossmann (Physiker, Mathematiker; Philipps-Universität-Marburg, in: Physikalische Blätter, 53. Jahrgang. Heft 12 Dezember 1997, S. 1228; ebenso in: Zeitschrift Physik Journal, September 2003; vgl. auch im Internet: http://www.pro-physik.de ):

„(...) Dieser Band wendet sich wohl weniger an die Insider; sie finden überwiegend Bekanntes, viele vertraute Bilder, Aussagen und Methoden. Für den Newcomer bietet sich eine interessante, bunt gemischte Einführung und Zusammenfassung. Ihm wird eines der wohl zentralen Anliegen dieses Bandes klar: Symmetrie wird nicht mehr eher als statischer Begriff gesehen, mathematisch durch eine Gruppe von Transformationen dargestellt, sondern als Rahmen, Leitbild, Verursacher von Dynamik, von Geschehen, von Entwicklung, Selbstorganisation und Komplexität. Bifurkation und Symmetriebrechung, auch Chaos in der Entwicklung von Systemen sind es, durch additive und geometrische Symmetrien charakterisiert, was evolutionäre Symmetrietheorie meint.“


Dr. Ludwig Pohlmann (Privatdozent an der Freien Universität Berlin, in: Irreversibilität und Evolution, Jahrbuch Selbstorganisation 1997 Berlin, S. 301-303):

„(...) Wenn man die Vielfalt von Forschungsrichtungen und Ideen betrachtet, welche in den einzelnen Aufsätzen präsentiert werden, so muß man feststellen, dass es ein fruchtbarer Ansatz gewesen ist, die moderne Evolutions- und Selbstorganisationstheorie mit der klassischen und von Hause aus statischen Symmetrietheorie zu verbinden. (...)

Im ersten, einführenden Aufsatz stellt Franz Wuketits die Frage, ob die Symmetrie als ein Faktor der biologischen Evolution verstanden werden kann? (...) Insofern kann man mit Wuketits die eingangs gestellte Frage bejahen, da die Symmetrie sowohl als Produkt der Selbstorganisation, als auch als Vorbedingung effektiver Funktionalität als ein wichtiger Evolutionsfaktor anzusehen ist. (...)

Zusammenfassend läßt sich feststellen, dass das vorliegende Buch eine Fülle verschiedenster und teilweise auch kontrovers diskutierter Ideen enthält, welche für alle, die sich für Evolution, Selbstorganisation, Symmetrie und Gestaltbildung interessieren, als wertvolle Anregungen dienen können. Durch die Zusammenstellung von Aufsätzen naturwissenschaftlicher, philosophischer und kunsttheoretischer Natur wird es dem Leser leicht gemacht, die Grenzen seines Fachgebietes mit Hilfe der allgemeinen Prinzipien der Symmetrie und der Selbstorganisation zu überspringen.“

(Vgl. auch im Internet: http://userpage.fu-berlin.de/~lap/annotat.htm)

Dr. Arne von Kraft (Zoologe, Anatomisches Institut der Universität Marburg; in: „Ist Symmetrie ein Evolutionsprinzip? Gedanken zu zwei neueren Büchern zum Thema Evolution und Symmetrie“. In: die Drei, 67.Jg., Nr. 10/1997, S. 938-947; vgl. hierzu die Rezensionen zu Symmetrie als Entwicklungsprinzip in Natur und Kunst von Kraft und Anmerkungen ebenda):

 „(...) Ziemlich neu ist die Verbindung Evolution mit Symmetrie, wie sie in zwei neueren Büchern erfolgt ist. Beide stehen sowohl in thematischer wie personaler Beziehung engstens miteinander in Zusammenhang. Die ältere umfangreiche Veröffentlichung von Werner Hahn trägt den Titel ‚Symmetrie als Entwicklungsprinzip in Natur und Kunst’. Das neuere Werk heißt ‚Evolutionäre Symmetrietheorie. Selbstorganisation und dynamische Systeme’, hrsg. von Werner Hahn und Peter Weibel.

(...) Die bisher erwähnten Artikel des Buches geben wohl, wenn auch in recht unterschiedlichem Maße, anregende Beträge zum Thema ‚Symmetrie’. Ihr Wert bezüglich der Ausarbeitung einer ‚Evolutionären Symmetrietheorie’ (so der Titel des Buches) erscheint meist gering oder sogar soviel  wie gleich Null. Völlig anders steht es mit dem letzten Aufsatz des Bandes von Werner Hahn mit dem Thema ‚Evolutionäre Symmetrietheorie und Universale Evolutionstheorie’ (Untertitel ‚Evolution durch Symmetrie und Asymmetrie’). Schon der Titel verrät es und der Text bestätigt es, dass Hahn der eigentliche und maßgebliche Begründer der zur Rede stehenden Theorie ist (‚EST’, S.258) und dass allein bei ihm die Idee oder das Prinzip der Symmetrie i.w.S. in das Zentrum seiner Überlegungen gerückt erscheint. Es ist nicht zuviel gesagt: gegenüber dem Artikel von Hahn sind sämtliche übrigen Arbeiten zusammengenommen kaum mehr als Rankenwerk, bezogen auf das Grundthema des Bandes. Insofern muss und kann sich eine kritische Wertung der ‚Evolutionären Symmetrietheorie’ speziell auf den  Aufsatz von Hahn stützen, außerdem auf das eingangs erwähnte Buch von Hahn (auf das er in seinem Beitrag oftmals Bezug nimmt), in dem er, mit Unterstützung durch Hunderte von Abbildungen, eine Fülle von Material zum Thema ausbreitet, insbesondere der Gebiete der Biologie, Physiologie (insbesondere optisches System), Chemie, Physik, Geometrie, Kunstgeschichte (einschließlich eigener Kreationen). (...)“

 

 

Werner Hahn (28.01.2002)

 

Vortrag im Rahmen der Uni-Vorlesungsreihe „Symmetrie in Wissenschaft und Kunst“

Hierzu auch die Website der Universität Tübingen

http://timms.uni-tuebingen.de/List/List01

 

Evolutionäre Symmetrietheorie

 und

 Ars evolutoria

 

Wechselwirkungsprinzip Asymmetrisation/Symmetrisation

 

 

Werner Hahn (Abbildungen: siehe timms/Internet)

 

A. Auftakt: Videoclip „Der heilige Urknall

 

B. Evolutionäre Symmetrietheorie (kurz: EST)

 

C. Ars evolutoria als Science Art

 

D. Wechselwirkungsprinzip (Primär-)Asymmetrisation/Symmetrisation

 

E. Iso-Symmetrisation und Aniso-Symmetrisation (Primär-Asymmetrisation)

 

F. Asymmetrie symmetrisch

 

G. Transformationen als Sekundär-Asymmetrisationen

 

H. Evolutionäre Natur-und-Kunst-Ästhetik

 

I. Soziale Symmetrie und universale Ethik

                                                                        

 

A. Einführung/Auftakt: Videoclip „Der heilige Urknall

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

Das Wort "Symmetrie" - heute mit einer Vielzahl von Begriffen in Verbindung gebracht - ist seit der Antike kulturell-evolutionär weiterentwickelt worden. Das griechische Wort "Symmetria" ('mit Maß', 'richtiges Verhältnis'), unter gleichem Namen ins Lateinische übernommen, wurde in der Renaissance als "symmetri" ins Deutsche übertragen, wiederentdeckt und neugestaltet. Seit Kepler kam es durch kulturelle Evolution - insbesondere naturwissenschaftlichen Fortschritt - zur Entwicklung eines exakteren Symmetriebegriffs. Abgelöst wurde der eher irrationale antike Begriff: Symmetrie ist zunehmend augenfälliger, anschaulicher, kommensurabel, durchschaubar und rational erklärbar geworden.

 

            Das Hauptanliegen meiner künstlerischen und wissenschaftlichen Untersuchungen ist es, Symmetrie zusammen mit Asymmetrie als dynamische Wechselwirkungsmechanismen und Kraftquellen evolutionärer Entwicklungsprozesse zu verstehen. Durch Kausalisierung der Strukturforschung und ein Studium der Evolution mit der Zielsetzung einer Evolutionären Symmetrietheorie sind Kriterien zu gewinnen, die erklären können, wie konstruktiv Neues in der Natur entsteht. Es geht um die Begründung einer funktionell orientierten, dynamischen Bifurkationsmorphologie als Methode einer neuen Entwicklungslehre mit empirischem Gehalt, die sämtliche Gestalten (unbelebte wie belebte) in einer Theorie evolutionär zu beschreiben versucht.

 

Videoclip „Der heilige Urknall“/ Folie Musik-Noten: musica evolutoria

 

B. Evolutionäre Symmetrietheorie (kurz: EST)

 

            Ich verstehe Symmetrie und Asymmetrie als fundamentale Prinzipien nicht allein irdischer Evolution sondern alles welthaften, veränderlichen Seienden und Werdens, als Ur-Grund von Daseinsentwicklung. Rupert Riedl meinte, die Welt der Symmetrien müsse als "Formbedingung" und "kostbare Instruktion" eine "Vorbedingung der Entwicklung dieses Kosmos gewesen sein".

 

            Der Physiker und Mathematiker Siegfried Großmann - ein eminenter Vertreter der Chaosforschung - hat in den Physikalischen Blättern durch eine Rezension auf mein Buch „Symmetrie als Entwicklungsprinzip in Natur und Kunst“ (von 1989; übersetzt ins Englische in erweiterter Form 1998) aufmerksam gemacht , das - wie er resümiert - "den gewaltigen Schatz an in der Natur und in der Kultur Gefundenem auf wenige dahinterliegende strukturelle Prinzipien zurückführt".

Es sei - so Großmann - die "übergreifende Idee, die eine neue Dimension eröffnet":

 

"die Demonstration einer übergreifenden Hypothese, gewonnen als experimenteller und theoretischer Forschungsertrag: Symmetrie als umgreifendes, leitendes, strukturierendes, verursachendes Element der Evolution, als die Idee hinter Natur und Kultur".

 

            Die Vertiefung und Weiterentwicklung der Idee, dass Symmetrie als 'Ursache, Quelle und Triebkraft evolutionärer Dynamik' verstanden werden kann, könnte "wohl nur in der engen Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen liegen", konstatierte Großmann zutreffend. Das Projekt Evolutionäre Symmetrietheorie (EST) ist eine Frucht dieser Anregung.

 

            Zum EST-Projekt mit dem 1993 durchgeführten Frankfurter Symposion

Evolutionäre Symmetrietheorie - Selbstorganisation und dynamische Systeme  formulierte ich als "EST-Begriffsbestimmung":

 

Evolutionäre Symmetrietheorie (EST) ist eine Auffassung, die einzelwissenschaftliche, natur- und kunstphilosophische Elemente in fruchtbarer Weise miteinander verbindet.

 

Sie geht aus von der empirischen Tatsache, dass Symmetriestrukturen, die wir in objektiven Strukturen (der uns unmittelbar zugänglichen Welt; auch von Kunstwelten) wahrnehmen können, in hervorragender Weise in diese Welten passen. Wie unser Erkenntnisapparat mit seinen Strukturen und Leistungen ein Ergebnis der biologischen Evolution ist, sich in Anpassung an die (objektiven) Strukturen der Welt herausgebildet hat, ist die Welt der Symmetrien im Zuge eines universalen, biologischen, kulturellen Evolutionsgeschehens (lokal, global) entstanden.

 

Die EST (als eine "wissenschaftliche Lehre zur einheitlichen Erfahrung von Symmetrie/Asymmetrie-Phänomenen") arbeitet mit einzelwissenschaftlichen Entdeckungen (zum Beispiel aus Physik, Chemie, Biologie, Psychologie, Anthropologie, Soziologie) und künstlerischen Erfindungen. So ist die EST mehr als eine rein naturwissenschaftliche, rein geisteswissenschaftliche oder kunstphilosophische Teildisziplin. Die EST ist in vieler Hinsicht ein inter- und transdisziplinäres (nicht metaphysisches) Forschungsprogramm.

 

            Das Projekt Evolutionäre Symmetrietheorie hat 1996 zu einer Dokumentation von Beiträgen zum Frankfurter Symposion geführt. Herausgegeben haben Peter Weibel und ich eine Anthologie mit dem Titel  „Evolutionäre Symmetrietheorie . Selbstorganistion und dynamische Systeme“. Das „zentrale Anliegen“ dieses Bandes mit 19 Aufsätzen hat Großmann 1997 in einer Rezension so beschrieben:

 

           „Symmetrie wird nicht mehr als eher statistischer Begriff gesehen, mathematisch durch eine Gruppe von Transformationen dargestellt, sondern als Rahmen, Leitbild, Verursacher von Dynamik, von Geschehen, von Entwicklung. Selbstorganisation und Komplexität, Bifurkation und Symmetriebrechung, auch Chaos in der Entwicklung von Systemen sind es, durch additive und geometrische Symmetrien charakterisiert, was evolutionäre Symmetrietheorie meint.“ (Phys. Bl. 53 1997 Nr. 12)

 

            Spektrum der Wissenschaft lobte in einer Rezension 1997 (Prof. Dr. Bremer- Mai 97) die Anthologie so: Man könne das „Vorhaben einer Evolutionären Symmetrietheorie“ nicht besser umreißen als mit dem Helmholtz-Satz: „Möglicherweise wird dieses Buch in der Zukunft von hohem Wert sein als Leitfaden zur Entdeckung neuer allgemeiner Charaktere der Naturkräfte“.

 

C. Ars evolutoria als Science Art

 

            Wie gesagt, diskutiert die Gedankenwelt des von mir 1989 vorgelegten Buches die Wirklichkeit von Symmetrien/Asymmetrien auf der Grundlage eines fächervernetzenden evolutorischen Symmetrieverständnisses. Wurden Symmetrien bisher im 20. Jahrhundert häufig als "Ruhe, Statik, Unveränderlichkeit" sowie "Steifheit, Pedanterie, Langeweile, Tod" interpretiert und oft diffamiert, gelang es mir zunächst durch experimentelle bildende Kunst, eine evolutorische Symmetrielehre zu entwickeln.

 

ABBILDUNGEN  hier einfügen (ars-evolutoria-Neo-Expressionismus)

 

            Aus meinen Beobachtungen zur Bewegungs- und Gestaltwahrnehmng in Verbindung mit bildkünstlerischen Experimenten (mit variablen Form-Farbe-Bildzeichen und den Methoden von Symmetrisation und Asymmetrisation für Gestaltwandel im Zwei- und Dreidimensionalen) habe ich ein dynamisches Bild der Welt entwickelt, das Gemeinsamkeiten in den vielgestaltigen Erscheinungen der Welt sinnlich/empirisch anschaulich und gedanklich in Erscheinung zu bringen vermag. Der Weg von einer empirisch gestützten "Dynamischen Morphologie" der Kunst mit evolutionären Elementen führte mich zur Natur und Kultur mit fruchtbringenden Ansätzen zu einer umfassenden Evolutionstheorie (Neo-Evolutionismus).

 

            So kam es zur STIL-Begründung von Ars evolutoria (Kunst als Produkt von evolutorischen Entwicklungsprozessen) samt diversen Stil-Varianten (so z. B. Neo-Kubismus, Neo-Barock/Neo-Manierismus, Atomismus (Neo-Pointillismus), Neo-Expressionismus, Maximal-Art, Neo-Suprematismus, dis-wrapping art (Enthüllungskunst) ,  Justiz-Art, Neo-Readymades, computerisierte ars evolutoria, televisuelle ars evolutoria (Video-Clips) und Installationen.

 

ABBILDUNGEN  hier einfügen (Folien zu den Stilvarianten der ars-evolutoria)

 

            Die Bildbeispiele veranschaulichen, wie aus einer beliebigen dreidimensional strukturierten Ausgangsgestalt (Basalgestalt) wunschgemäß (über Zwischenformen, Brückengestalten) in stammbaumähnlichen Bifurkationsprozessen (Verzweigungen) formverwandte, nicht formgleiche aber abgeleitete Formen zu entwickeln sind. Die Stammbaumverzweigungen (Bifurkationen) nehmen - entsprechend natürlichen Systemen mit dichotom (zweigeteilt) verzweigten Stammbäumen, die Evolution zur Voraussetzung erheben - einen nichtlinearen, zeitlich und konstruktions-morphologisch nicht umkehrbaren, irreversiblen Verlauf.

 

            Mittels des bifurkationsmorphologisch-experimentellen, "phylogenetische" Fortschritte erzielenden Verfahrens ergeben sich Konstruktions- und Funktionszusammenhänge für evolutionäre Veränderungen, die - empirisch überprüfbar durch objektive Formbeschreibung - eine wirklich "erklärende", evolutionär orientierte Gestaltvergleichung (experimentelle Homologien-Forschung) ermöglichen, welche auch in der Evolutionsbiologie, die das kreative Entstehen von Komplexität im Reich der vielgestaltigen Naturformen "erklären" muss, zu einer erweiterten Struktur evolutionären Denkens geführt hat.

 

            In den sich experimentell in der Vierdimensionalität von Raum und Zeit entfaltenden evolutionären Sinnkonstruktionen der ars evolutoria kommt jeweils (spontanaugenfällig und unvorhergesehen) durch Selbstbespiegelungen (eine Selektion seitens des Kunstschaffenden) Besonderes, Einmaliges, Überraschendes in jeweils neuartigen symmetrienhaltigen Geschehnisganzen zum Vorschein. Konrad Lorenz hat das blitzartige Entstehen neuer Qualitäten in Phasenübergängen "Fulguration" genannt, heute auch als "Emergenz" bezeichnet.

 

            Damit beginnt sich erstmals eine wirklich begründete Evolutionstheorie - eine rational darstellbare, umfassende Organismustheorie als Emergenz-Theorie - abzuzeichnen. Denn die dynamisch-evolutionäre Bifurkationsmorphologie ist dinggebunden. Fulguration (kreative "Fluktuation") entwickelt sich hier nicht abstrakt im luftleeren Raum (nicht als "creatio ex nihilo"). Sie zeigt Evolution als einen System-Optimierungsprozeß, ein funktionelles Versuch-und-Irrtum-Verfahren auf der als organisches Ganzes realisierende (programmierende, reflektierende) Neue entwickelt seine Form, Gestalt, Grenze (innen und außen) aus dem autoevolutiven Wechselwirkungsprinzip Asymmetrisation/Symmetrisation heraus (siehe weiter unten). Die altehrwürdige Frage nach Zufall und Notwendigkeit in der Evolution erscheint mithin in einem neuen Licht.

 

            Kraft der Vieleinheit von linker Gehirnhälfte (logisch-analytisch-rational und sprachbezogen arbeitend) und rechter Hemisphäre (mit ganzheitlich-synthetisch-intuitiven sowie visuell-räumlichen Funktionen) - entwickelte ich auf der Basis von ars evolutoria das Gedankengebäude einer Neo-Renaissance und Neo-Moderne als Reanimation der Moderne (nunmehr auch - in Antithese zur Pop Art beispielsweise - Science Art (art-science) genannt) mit Integration einer allgemeinen Theorie von Form und Farbe/Licht (auch Urform-Theorie) als transdisziplinäres Symmetrie/Asymmetrie-Konzept.

 

            Neubelebt wird durch Science Art die nach der Renaissance verlorene Einheit von Natur und Wissenschaft mit der Kunst gemäß der Renaissance-Devise "Ars sine scientia nihil est" (Kunst ohne wissenschaftliche Basis ist nichts). Dem überholten Dogma von der Selbstzweckhaftigkeit der Kunst (L'Art-pour-l'art-Standpunkt) stelle ich das ästhetische Postulat einer L'Art-pour-la-science ("Kunst um der Erkenntnis willen") entgegen!

 

D. Wechselwirkungsprinzip (Primär-)Asymmetrisation / Symmetrisation

 

            In den Symmetrie- und Asymmetriestrukturen der räumlichen und zeitlichen Ordnung der unbelebten und belebten Natur tritt das von mir zunächst in dynamischen, evolutionären Geometrisierungsprozessen bildkünstlerisch entdeckte formen- und funktionswandelnde "Gegenspieler-Paar" Asymmetrisation / Symmetrisation in der Tat als fundamentales Kreativitätsprinzip (Innovations-, Progressprinzip) in Erscheinung.

 

            Es wurde von mir gedeutet als kausale Triebfeder (innerer Motor) eines lokalen und globalen, mehr oder weniger abrupten (sprunghaften) Evolutionsgeschehens, das die Entstehung evolutionärer Neuerungen in einer Vielzahl von Naturformen beziehungsweise -prozessen zu erklären vermag.

 

            Mit einer Vielzahl von Belegen - auch durch zahlreiche Abbildungen (im Symmetriebuch) - konnte ich nachweisen, dass das durch Science Art entdeckte neue Evolutionstheorem analog auf die Formevolution anorganischer wie lebender Systeme übertragen werden kann; ohne dass etwa die nachweisbaren dynamischen Symmetrie-Asymmetrie-Beziehungen als eine Realisierung mathematisch-abstrakter, platonischer Formen zu begreifen wären.

 

Kreative Symmetrisation wurde von mir 1989 zusammenfassend und allgemein definiert als:

 

ein "evolutionärer Prozessablauf, der regelnd abgeleitete, strukturneue Gestalten bildet, wobei durch Symmetrie- und/oder Asymmetriebrechung stets neu strukturierte und unterscheidbare, zu einem Netzwerk synthetisch verkoppelte, spiegelbildlich-polare Gleichheiten entstehen. Hierbei kann die neue Symmetriegestalt gegenüber dem gebrochenen, alten Symmetrie-Geschehnisganzen, einen Selektionsvorteil aus der (...) Symmetrisation ziehen."

 

            Spiegelbildliche Symmetrisation transmutiert in der objektiven Realität raumzeitlich ein Links in ein Rechts, ein Vorne in ein Hinten und ein Oben in ein Unten sowie umgekehrt.

 

ABBILDUNGEN  hier einfügen (Seewalzen-Furchung; Krebs-Zellteilungen; Chaos)

 

E. Iso-Symmetrisation und Aniso-Symmetrisation (Primär-Asymmetrisation)

 

            Dass Symmetrisationsprozessabläufe in der Lebewelt häufig "nur" der Erzeugung von (oft entgegengesetzt) Gleichem dienen (= Iso-Symmetrisationen), ohne evolutiv-kreativ Form- und Funktionswandel herbeizuführen, ist angesichts der Beispielsfülle in der Natur mit einer unendlichen Wiederholung von nahezu Gleichem offensichtlich.

 

            In der Symmetrisation zeigt sich Symmetrie zwar auch als "Gleichheit von Teilen als Ausdruck eines Ganzen" (kurze Symmetriedefinition von Rudolf Wille). Eine Symmetrisation ist darüber hinaus jedoch ein neue Selbstähnlichkeiten bewirkender dynamischer Prozess, in dem die Teile eines potentiell veränderbaren Geschehnis-Ganzen über eine Bifurkation (Weggabelung; Verzweigungs-, Brücken-, Sprungpunkte) sowohl in "alte" struktur- und funktionsgleiche als auch "neue" struktur- und funktionsveränderte Teile überführt werden (= Aniso-Symmetrisation).

            Die in einer wandelbaren Vorform beziehungsweise Brückengestalt angelegten Symmetrien und Asymmetrien werden in einem innovativ-emergenten Artaufsplitterungsprozess jeweils derart gebrochen, dass (so in Biomustern) Ungleichheit resultiert: Diese durch Symmetrie- und Asymmetriebrechung mit der Symmetrisation erfolgende Entwicklung einer Identität aufhebenden evolutionären Neuerung (Aniso-Symmetrisation), ist somit als Asymmetrie-Prozess zu interpretieren. Jede kreative Symmetrisation beinhaltet somit interaktiv einen Asymmetrie-Aspekt, der vollkommene Gleichheit (Iso-Symmetrie) negiert. Diesen Prozeß habe ich Primär-Asymmetrisation (Initial-, Basis-, Fundamental-Asymmetrisation) bezeichnet.

 

            Die der Symmetrisation unähnliche, aber mit ihr in komplementärer Polarität wechselwirkende Initial-Asymmetrisation sorgt fulgurativ dafür, dass eine geordnete Wiederholung gleicher Formen - identischer Systemmuster(elemente) - vermieden wird, ohne dass etwa destruktiv chaotische Struktur (Desorganisation) resultiert.

 

            Der elementare Doppelmechanismus von Primärasymmetrisation liiert mit Symmetrisation vermag einerseits beharrende Gleichgestaltigkeit durchzusetzen: Hierbei zwingt das konstruktionsmorphologische Beharrungsvermögen die Organisation einer Naturform zur Einhaltung von Invarianz, Form-Identität, Tradierungsmustern, Serialität (Metamerie) und anderem. Andererseits jedoch veranlasst der Asymmetrisationsfaktor im interaktiven Baumeisterpaar, dass in einem evolutionären Gestaltwandel - sinnvoll harmonisch balanciert und vielfältig organisiert - echte evolutionäre Neuerungen als Emergenzen, Fortschrittsmuster, "Typensprünge" in innovativer Maximal-Fulguration auftreten.

 

            Dieser fundamentale, Willkür- und Chaosentwicklung verhindernde Doppel-Schlüssel bildet in der Struktur und Funktion von Asymmetrie-Symmetrie-Vernetzung eine Einheit. Es handelt sich um ein Energie in sich aufnehmendes und transformierendes Autoevolutionssystem, in dem Entgegensetzungen synergetisch zusammenwirken: "coincidentia oppositorum" von asymmetrisierender Symmetriebrechung und Symmetrie-Neubildung. Innovative Energieverarbeitung erfolgt doppelstrategisch in einem einerseits aktiv energieverzehrenden (instabilen) Nicht-Gleichgewichtsprozeß (= Asymmetrisation) als auch einem zeitlich gleichgerichteten (stabilen) Gleichgewichtsablauf (= Symmetrisation).

 

            Als eigengesteuertes, odnungstiftendes Selbstregulations-Geschehnisganzes beinhaltet das kreative Innovationssystem selbstordnend zugleich Antriebs-, Material-, Form- und Zweck-Ursache, die von mir im Symmetriebuch am Beispiel der ars evolutoria erörterten vier Ursachenformen des Aristoteles. Im bipolar-antagonistisch wechselwirkenden Gegensatzpaar der Asymmetrisation / Symmetrisation spiegelt sich auch wider Goethes Prinzip von Polarität, Steigerung und Metamorphose, wobei "Materie nie ohne Geist, der Geist nie ohne Materie existiert und wirksam sein kann".

 

            Wenn evolutionäre Formenvielfalt in der Natur durch kreative Evolutionsfaktoren entsteht, die allmählich und/oder sprunghaft (kontinuierlich/diskontinuierlich, gradualistisch/punktualistisch) neue quantitative und qualitative Veränderungen bewirken, so sind nach der Evolutionären Symmetrietheorie, wie sie derzeit in der Entwicklungskonzeption meines Evolutionismus gesehen wird, vorrangig Primär-Asymmetrisation/Symmetrisation als fundamentales "Gegenspieler-Paar" wirksam: Eine Zweiheit in "einträchtiger Zwietracht" oder (symmetrisiert gesehen) "zwieträchtiger Eintracht", wobei die Ursachen des komplementär-ganzheitlichen, Energie/Materie transformierenden Einheits-Systems nicht in mystisches Dunkel gehüllt und unerkennbar sind (siehe hierzu das Schneeglöckchenbeispiel und auch meine Urform-Theorie ).

 

ABBILDUNGEN hier einfügen;Video Blüten-Mutationen

 

F. Asymmetrie symmetrisch

 

            Definiert man "Asymmetrie" analog zu Willes kurzer Symmetriedefinition "Asymmetrie (Un-Ebenmaß, ohne Maß): Ungleichheit von Teilen als Ausdruck eines Ganzen", so wird deutlich, dass der von der Symmetrisation nicht zu trennende Begriff der Asymmetrisation gar nichts mit unsymmetrischer "Ungestalt", "Unharmonie" oder "Disharmonie" zu tun hat, wie diese Begriffe beispielsweise 1853 von Karl Rosenkranz in seiner "Ästhetik des Häßlichen" beschrieben worden sind. Asymmetrisation kann mit Symmetrisation verknüpft (Adorno: "versöhnt") als das Natur-Schöne gesehen werden.

 

Meine Definition des Natur- und Kunst-Schönen:

Das Schöne ist das, was durch Asymmetrisationen ("Chaos") verknüpft mit Symmetrisationen symmetrisch geworden ist.

 

           Im Asymmetrisation-Symmetrisation-Einheitskonzept kann Asymmetrie als ein autoevolutiver energieaustauschender/verzehrender Antrieb verstanden werden, der neuartige Formen, Bewegungen und Funktionen (Aniso-Symmetrie) schafft. Asymmetrie steht somit nicht in "Feindschaft" zur Symmetrie, ist keine "Anti-Symmetrie" und existiert nicht ohne Symmetrie.

 

            Zu betonen ist, dass in der unbelebten wie belebten Natur zu einer speziellen Asymmetrieform meist auch komplementär eine spezielle (meist spiegelbildliche !) Asymmetriegestalt verwirklicht wird: enantiomorphe Antipoden genannt. Louis Pasteur sprach in diesem Fall von "Dissymmetrie", die auch "Spiegelbildisomerie" und "Chiralität" genannt wird. (siehe Videobeipiele: z. B. Johanniskrautblüten, Zapfen)

 

ABBILDUNGEN hier einfügen: Schneckenbeispiel, siamesische Zwillinge

 

G. Transformationen als Sekundär-Asymmetrisationen

 

            Experimentell konnte ich nachweisen, dass für einen emergenten Gestaltwandel in meiner Kunst (ars evolutoria samt Varianten) proportionsändernde Transformationen - neben dem Baumeisterpaar Primär-Asymmetrisation / Symmetrisation - für evolutive Selbsterneuerung von sekundärer Bedeutung sind.

 

ABBILDUNGEN /Schneckenbeispiel: Dürer / Thompson, Nautilus, Orchideen

 

            Der eine Form-Verzerrung bewirkende Transformationsmechanismus vermag durch partielle Dynamisierung von Form zwar eine harmonische Gestalt-"Deformation" herbeizuführen. Die über Maßstabsveränderung von Koordinaten und Winkelveränderungen erzeugte Gestaltveränderung beinhaltet indessen stets Invarianz. "Erfunden" wird - fulgurativ-evolutionär betrachtet - hierbei wenig Neues.

 

            Wentworth d'Arcy Thompson, der in Anlehnung an Albrecht Dürers Formexperimente mit Deformation eines Koordinatensystems Transformationsumwandlungen als "Wachstumsgesetz" beschrieben hat und auf eine "dynamische Morphologie" hoffte, um das "Rätsel der Form" zu ergründen, gab in seinem Buch "Über Wachstum und Form" zu:

 

"In diesen unseren Transformationen kann jeder Punkt seinen Platz, jede Linie ihre Krümmung, jede Fläche ihre Größe verändern; andererseits bleibt aber jeder Punkt und jede Linie weiterhin bestehen, und sie behalten ihre relative Anordnung und Lage durch alle Verbiegungen und Transformationen hindurch."

 

            Die Transformationsmethode wird heute in der Biologie als wissenschaftliche Methode anerkannt, um phylogenetische Reihen zu entwickeln beziehungsweise zu revidieren. Transformationen werden mit dem Begriff Allometrie (Allomorphose) verknüpft: man unterscheidet positive Allometrien (beschleunigtes, verstärktes "Wachstum") und negative Allometrien (verzögertes "Wachstum" einzelner Formabschnitte).

 

            Transformationsumkonstruktionen können als Sekundär-Asymmetrisationen interpretiert werden. In Verbindung mit der fundamentalen Primärasymmetrisation/Symmetrisation-Wechselwirkung hilft dieser Mechanismus indessen, die Entstehung der Vielfalt evolutiver Innovationen in der Lebewelt besser zu verstehen. Auch die gewaltigen Größenunterschiede innerhalb verwandter Arten, Gattungen, Familien, Ordnungen und Klassen im Tier- und Pflanzenreich werden erklärt. (Vergleiche beispielsweise die Orchideenblüten-Vielfalt, Schneckengehäuse; siehe Abbildungen.)

 

H. Evolutionäre Natur-und-Kunst-Ästhetik

 

            Nach Goethe beruht STIL auf den "tiefsten Grundfesten der Erkenntnis, auf dem Wesen der Dinge, insofern es uns erlaubt ist, es in sichtbaren und greiflichen Gestalten zu erkennen".

 

            Anzumerken ist hier, dass die alte "moderne" Kunst, Kunsttheorie und institutionalisierte Kunstwissenschaft bisher zum Thema "Evolution" nichts, über "Symmetrie" wenig ausgesagt haben (zumeist Diffamierendes). Eine "interdisziplinär orientierte Kunstwissenschaft", die neuerdings das goethesche Thema der Metamorphose behandelt, sollte endlich das Thema Evolution und Symmetrie als Arbeitsmaxime aufgreifen und eine "Evolutionäre Ästhetik" akzeptieren und weiterzuentwickeln versuchen.

 

            Eine evolutionär orientierte Ästhetik weist weit über das Gebiet der Kunst hinaus auf das evolutionär entwickelte Ganze der Wirklichkeit, in der ästhetische Werte in Erscheinung treten (Alltagsästhetik, Naturästhetik). In Antithese zu modernistisch-postmodernistischem Kulturkonservatismus plädiere ich an der Epochenschwelle zu einer Neuen Neuzeit auf der Basis einer universellen, synthetischen Evolutionären Ästhetik auch für die Wende in ein Neuland des natur-ästhetischen Denkens. Fragestellungen nach Sinn und Wert (Wahrheit) des Schönen und der Kunst werden (erneut) zum fortwirkenden Innovationsimpuls philosophischer Natur-und-Kunst-Ästhetik.

           

            Den Antikunst/Nichtkunst-Ideologen, die das gegenwärtige System eines total negativ-erweiterten/entgrenzten Kunstbereichs samt Kunstmarkt-Szene willkürlich dominieren, muß eine evolutionär motivierte objektive Künstlerästhetik (ars evolutoria beispielsweise) ein "Dorn im Auge" sein, da Formen der evolutorischen Kunstwahrnehmung und -erkenntnis hier relevant für Naturästhetik sind und maßgeblich vom Auge-Gehirnssytem gesteuert werden.

 

            Ohne mit Blindheit geschlagen zu sein, vermag eine neo-synthetisch orientierte Natur-und-Kunst-Ästhetik (Evolutionäre Ästhetik) die seit der Neuzeit gesprengte Totalität der (heute noch) in Einseitigkeiten zerfallenen Dreieinigkeit des Wahren, Schönen und Guten neu zu synthetisieren. Reflektiert werden hierbei die Tatsachen des Un-Wahren, Un-Schönen, Un-Guten, so dass die Experimente einer quasi "blinden" Welt-Wahrnehmung ("Aisthesis" der unsinnlichen Erkenntnis) kulturell-evolutionär überholt werden.

 

            Inter- und transdisziplinär forschende, integrative Evolutionäre Ästhetik vermag eine evolutionär-ökologisch orientierte Wissenschaft vom Schönen zu begründen, wobei das Naturschöne und Kunstschöne objektiv (entgegen "transzendentaler Ästhetik" nicht-idealistisch) begründet werden. Dies ist von ernst zu nehmender Bedeutung für die Anthropologie und eine Evolutionäre Ethik, ist uns doch eine "moralisch wie ästhetisch häßliche, ja zerstörerische Zivilisation passiert" (Riedl). Wir können auf "überkulturelle Einigungen auf das Schöne" (Lötsch) hoffen.

 

I. Soziale Symmetrie und universale Ethik

 

            Versuchte ich den Begriff der sozialen (positiven) Symmetrisation - in Anlehnung an Georg Simmels "soziologische Ästhetik" - in die Sozialwissenschaften zu übertragen, sprach der Soziologe Niklas Luhmann davon, dass Zeit "Asymmetrisierung von Selbstreferenz" sei: Problemlösungen würden über Asymmetrisierung "in die Wege geleitet, und Konsens beziehungsweise Dissens sind dann Ergebnisse: Resymmetrisierungen"; von "Selbst-Asymmetrisierung realer Systeme" könne man sprechen.

           

            Gemäß meiner Asymmetrisation/Symmetrisation-Hypothese wird Symmetrie beim Sich-ineinander-Verzahnen des Referierens (mindestens) zweier Menschen (sogenannter "Referenz-Zirkel") zunächst gebrochen durch Deformieren der Symmetrie unter Einwirkung von Asymmetrisierung - (asymmetrisierender Initiative) als Auftakt eines Themas -, wonach sich im Polaritätsgefüge Resymmetrisierung anschließt. Jürgen Markowitz sieht in der Bipolarität des zirkulären Referierens eine "grundlegende Prozessform psychischer und sozialer Systeme".

 

            Durch soziale Asymmetrisation und Symmetrisation (Selbstsozialisationsprozesse der Asymmetrisierung-Resymmetrisierung) können starre ethische Normen einseitiger gesellschaftlicher Gruppierungen (Gruppenegoismus, exzessive Egozentrik) veränderungsfähig gemacht machen. Über derartige kognitive asymmetrisierende und symmetrisierende Integrationsprozesse mit Verhandlung, Vermittlung und Verständigung können neue soziale Balancierungen in symmetrischen Relationen bewirkt werden. Zielsetzung: Ethisierung durch Erkenntnisgewinn und kulturelle Evolution.

 

            Mein Plädoyer zu einer kulturellen Evolution mit Vereinheitlichung des ethischen Diskurses auf der Basis einer konstruktiven kulturellen und universalen Ethik, eines ethischen Universalismus, führt Gedanken des evolutionären Humanismus weiter, der eine Ethik gefordert hat, die alles tut, um die Zukunft der Menschheit auf unserem gefährdeten Erdball besser zu gestalten.

 

 Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Literatur:

 

Hahn, W., 1989, Symmetrie als Entwicklungsprinzip in Natur und Kunst, Königstein, Langewiesche, 320 Seiten. (Englische Übersetzung: World Scientific, Singapore 1998, 510 Seiten.)

 

Hahn, W., 1996, Evolutionäre Symmetrietheorie und Universale Evolutionstheorie. In: Hahn, W. & Weibel, P. (Hrsg.), 1996, Evolutionäre Symmetrietheorie - Selbstorganisation und dynamische Systeme. Stuttgart, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft (Edition Universitas). Hierzu das PDF-Dokument dieser Homepage: PDF EST anklicken!